Dorfalltag bei den Wald-Thais
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Einer der Gründe, warum hier in der letzten Zeit nichts mehr Neues gepostet wurde, ist die Tatsache, dass ich die letzten Wochen in einem kleinen Dorf an der burmesischen Grenze verbracht habe. Zum einen um endlich mal wieder eine langjährige Freundin zu besuchen, aber auch um mal wieder dem alltäglichen Wahnsinn in Bangkok zu entfliehen.
Wie bei allen Dörfern, in denen ich verkehre ist es für Unkundige fast unmäglich dort hinzugelangen.
Nur wer den Namen des richtigen Tempels kennt, kann dem Busfahrer sagen, wo auf der Strecke man aussteigen möchte. Dann noch ein Anruf und man muss 15 Minuten warten und irgendein Familienangehöriger meiner Freundin kommt und packt mich hinten auf den Pick-Up.
Im Dorf angekommen, das eigentlich nur eine Ansammlung von kleinen Häusern im Wald ist, passiert dann erst mal gar nicht mehr viel. Anders als im Isaan, sind die Menschen weniger herzlich. Und wenn doch, dann zeigen sie es nicht.
Während ich im Isaan unendlich oft umarmt werde und durchs ganze wie eine Trophäe geführt werde, gibt es in dem Dorf in Westthailand kaum Anhaltspunkte dafür, dass jemand meine Anwesenheit wahrgenommen hat.
Die Menschen im Isaan sind eben auch ethnische Laoten, wohingegen an der burmesichen Grenze im Süden „Wald-Thais“ leben.
Ansonsten gibt es aber viele Gemeinsamkeiten: Das Dorf ist voller Frauen aller Generationen, weil die Männer entweder im Wald oder auf dem Feld arbeiten, oder aber in die Stadt gezogen sind, um dort Arbeit zu finden.
Hauptberuf: Dorfbewohner
Die Dorfbewohner, die zurückbleiben, haben ihren Wohnort dann oft auch als Beruf: Im Dorf wohnen. Das bedeutet, sie machen eigentlich gar nichts. Und entsprechend gestaltet sich auch mein Tagesablauf, wenn ich dort bin:
Morgens um fünf wache ich auf, mit Jacke, Wollmütze und unter zwei Decken. Denn um diese Jahreszeit ist es Nachts gerade mal 12 Grad kalt. Dann harre ich noch ein wenig im Bett aus, denn draußen ist es einfach noch zu dunkel und zu kalt. Um sechs stehe ich dann auf. Dass es sechs Uhr ist weiß ich daher, dass mir der Rauch vom Kohlenfeuer des Nachbarn in die Nase steigt. Um diese Zeit schlafen die meisten Leute aber noch.
Ich gehe also vor die Tür, suche Holz und hacke es mit einem Buschmesser in kleine Stücke. Dann kratze ich die Asche aus der Kochstelle und verteile sie im Garten. Die kleinen Holzstückchen werden dann auf der Kochstelle aufgeschichtet. Ein kleines Stück von einem alten Autoreifen dient als „Grillanzünder“. Stinkt wie Sau, brennt aber lange und heiß. Dann kommen aus einem großen Sack ein paar Holzkohlen dazu bis eine gute Glut entsteht.
Ich nehme einen Top und gehe hinter das Haus. Da ist in großen Zisternen das Regenwasser aufgefangen worden, dass jetzt als Trinkwasser und zum Kochen benutzt wird. Ich fülle den Topf, fische ein paar tote Blätter raus und wärme das Wasser auf der Kochstelle auf. Denn das normale Wasser ist für die Großmutter, die nach ihrem Äußeren zu urteilen 4000 Jahre alt ist, zu kalt.
Dann muss ich mir Gedanken machen, was ich heute koche. Geld haben die Leute im Dorf eigentlich nicht. Also kommen die Zutaten aus der Natur. Auch wenn der Garten verwildert aussieht, man könnte spontan mindestens drei verschiedene gerichte aus den Pflanzen zaubern.
Die Zutaten kommen aus dem Garten
Heute entscheide ich mich für ein Papaya-Curry. Im Isaan essen die Menschen die unreifen Papayas ja als Papaya-Salat (Som Tam). Die Wald-Thais warten aber lieber, bis die Papayas reif und süß sind.
Außer Som Tam kann man eben aber auch noch Papaya-Curry aus den unreifen Früchten machen.
Erst mal pflücke ich aber Tamarinde und koche sie im Wok auf. Dann such ich mir eine lange Bambusstange und stoße eine dicke, grüne Papaya vom Baum. Der rest ist einfach. Chilli, Zucker, Salz, Papaya kleinschneiden und kochen. Der Reis kocht nebenbei. Und sobald alles fertig ist, erwacht auf wundersame Weise das ganze Haus.
Das Essen muss aber auch für den ganzen Tag langen. Aber Thais essen ohnehin haupstächlich Reis. Das gericht ist in der Praxis nur dazu da, ein wenig Geschmack hinzuzufügen. So zu essen wie in einem deutschen Chinarestaurant, wo Fleisch, Gemüse und Soße einfach auf einen Teller Reis gekippt werden, ist für die Thais undenkbar und geradezu unverschämt.
Nach dem Frühstück passiert erst einmal nicht mehr viel. Ich kehre ein paar Blätter zusammen, trage den Müll in den Garten und verbrenne alles zusammen. Denn Müllabfuhr gibt es hier nicht.
Irgendwann gegen neun kommen dann mal ein paar Nachbarn vorbei. Das ist immer der zeitpunkt, wenn ich mich hinter das Haus zurückziehe und mit Ohrenstöpseln in den Ohren ein Buch lese. Denn die Art, wie die Menschen in diesem Dorf in Kanchanaburi miteinander kommunizieren ist selbst für mein doch recht geländegängiges gemüt zuviel: Die Leute reden nicht, sie schreien. Und manchmal auch nur völlig sinnfreie Laute. Manchmal kann man eine Frau über fast eine halbe Minute „Ohooooo- Ohooooo- Ohooooo“ rufen hören. Ohne, dass sie irgendetwas damit ausdrücken will. Außerdem wiederholen alle Gesprächsteilnehmer immer das, was gerade gesagt wurde.
Was an sich kein Wunder ist. Denn in einem Dorf, in dem keiner was macht, passiert eben auch nicht viel. Entsprechend rar sind die Gesprächsthemen.
Da stelle ich quasi schon ein Highlight dar. Wenn ich zum Beispiel mal mein essen nachwürze, weiß das sofort die ganze Nachbarschaft.
Außerdem hat jeder Haushalt ein halbes Dutzend Hunde. Und oft scheint es mir, die Hunde würden nur gehalten, damit man sie anschreien kann. Ständig hört man irgendwo eine Hausfrau den Hund anschnauzen.
Irgendwann geht die Sonne unter. Ich esse zum dritten mal Reis mit Papayacurry und um neun gehe ich ins Bett.
Für einige mag sich ein solcher Tagesablauf langweilig anhören, für mich ist es Urlaub. Einfach mal nichts tun, aufstehen wann man will, essen, wann man will und einfach nur in der Sonne sitzen und lesen.
Für Urlaub und Entspannung brauche ich keinen Strand und Meer, die könnte ich ja in Thailand auch leicht haben.
Und Palmen gibt´s im Dorf auch.
Technorati:
Einer der Gründe, warum hier in der letzten Zeit nichts mehr Neues gepostet wurde, ist die Tatsache, dass ich die letzten Wochen in einem kleinen Dorf an der burmesischen Grenze verbracht habe. Zum einen um endlich mal wieder eine langjährige Freundin zu besuchen, aber auch um mal wieder dem alltäglichen Wahnsinn in Bangkok zu entfliehen.
Wie bei allen Dörfern, in denen ich verkehre ist es für Unkundige fast unmäglich dort hinzugelangen.
Nur wer den Namen des richtigen Tempels kennt, kann dem Busfahrer sagen, wo auf der Strecke man aussteigen möchte. Dann noch ein Anruf und man muss 15 Minuten warten und irgendein Familienangehöriger meiner Freundin kommt und packt mich hinten auf den Pick-Up.
Im Dorf angekommen, das eigentlich nur eine Ansammlung von kleinen Häusern im Wald ist, passiert dann erst mal gar nicht mehr viel. Anders als im Isaan, sind die Menschen weniger herzlich. Und wenn doch, dann zeigen sie es nicht.
Während ich im Isaan unendlich oft umarmt werde und durchs ganze wie eine Trophäe geführt werde, gibt es in dem Dorf in Westthailand kaum Anhaltspunkte dafür, dass jemand meine Anwesenheit wahrgenommen hat.
Die Menschen im Isaan sind eben auch ethnische Laoten, wohingegen an der burmesichen Grenze im Süden „Wald-Thais“ leben.
Ansonsten gibt es aber viele Gemeinsamkeiten: Das Dorf ist voller Frauen aller Generationen, weil die Männer entweder im Wald oder auf dem Feld arbeiten, oder aber in die Stadt gezogen sind, um dort Arbeit zu finden.
Hauptberuf: Dorfbewohner
Die Dorfbewohner, die zurückbleiben, haben ihren Wohnort dann oft auch als Beruf: Im Dorf wohnen. Das bedeutet, sie machen eigentlich gar nichts. Und entsprechend gestaltet sich auch mein Tagesablauf, wenn ich dort bin:
Morgens um fünf wache ich auf, mit Jacke, Wollmütze und unter zwei Decken. Denn um diese Jahreszeit ist es Nachts gerade mal 12 Grad kalt. Dann harre ich noch ein wenig im Bett aus, denn draußen ist es einfach noch zu dunkel und zu kalt. Um sechs stehe ich dann auf. Dass es sechs Uhr ist weiß ich daher, dass mir der Rauch vom Kohlenfeuer des Nachbarn in die Nase steigt. Um diese Zeit schlafen die meisten Leute aber noch.
Ich gehe also vor die Tür, suche Holz und hacke es mit einem Buschmesser in kleine Stücke. Dann kratze ich die Asche aus der Kochstelle und verteile sie im Garten. Die kleinen Holzstückchen werden dann auf der Kochstelle aufgeschichtet. Ein kleines Stück von einem alten Autoreifen dient als „Grillanzünder“. Stinkt wie Sau, brennt aber lange und heiß. Dann kommen aus einem großen Sack ein paar Holzkohlen dazu bis eine gute Glut entsteht.
Ich nehme einen Top und gehe hinter das Haus. Da ist in großen Zisternen das Regenwasser aufgefangen worden, dass jetzt als Trinkwasser und zum Kochen benutzt wird. Ich fülle den Topf, fische ein paar tote Blätter raus und wärme das Wasser auf der Kochstelle auf. Denn das normale Wasser ist für die Großmutter, die nach ihrem Äußeren zu urteilen 4000 Jahre alt ist, zu kalt.
Dann muss ich mir Gedanken machen, was ich heute koche. Geld haben die Leute im Dorf eigentlich nicht. Also kommen die Zutaten aus der Natur. Auch wenn der Garten verwildert aussieht, man könnte spontan mindestens drei verschiedene gerichte aus den Pflanzen zaubern.
Die Zutaten kommen aus dem Garten
Heute entscheide ich mich für ein Papaya-Curry. Im Isaan essen die Menschen die unreifen Papayas ja als Papaya-Salat (Som Tam). Die Wald-Thais warten aber lieber, bis die Papayas reif und süß sind.
Außer Som Tam kann man eben aber auch noch Papaya-Curry aus den unreifen Früchten machen.
Erst mal pflücke ich aber Tamarinde und koche sie im Wok auf. Dann such ich mir eine lange Bambusstange und stoße eine dicke, grüne Papaya vom Baum. Der rest ist einfach. Chilli, Zucker, Salz, Papaya kleinschneiden und kochen. Der Reis kocht nebenbei. Und sobald alles fertig ist, erwacht auf wundersame Weise das ganze Haus.
Das Essen muss aber auch für den ganzen Tag langen. Aber Thais essen ohnehin haupstächlich Reis. Das gericht ist in der Praxis nur dazu da, ein wenig Geschmack hinzuzufügen. So zu essen wie in einem deutschen Chinarestaurant, wo Fleisch, Gemüse und Soße einfach auf einen Teller Reis gekippt werden, ist für die Thais undenkbar und geradezu unverschämt.
Nach dem Frühstück passiert erst einmal nicht mehr viel. Ich kehre ein paar Blätter zusammen, trage den Müll in den Garten und verbrenne alles zusammen. Denn Müllabfuhr gibt es hier nicht.
Irgendwann gegen neun kommen dann mal ein paar Nachbarn vorbei. Das ist immer der zeitpunkt, wenn ich mich hinter das Haus zurückziehe und mit Ohrenstöpseln in den Ohren ein Buch lese. Denn die Art, wie die Menschen in diesem Dorf in Kanchanaburi miteinander kommunizieren ist selbst für mein doch recht geländegängiges gemüt zuviel: Die Leute reden nicht, sie schreien. Und manchmal auch nur völlig sinnfreie Laute. Manchmal kann man eine Frau über fast eine halbe Minute „Ohooooo- Ohooooo- Ohooooo“ rufen hören. Ohne, dass sie irgendetwas damit ausdrücken will. Außerdem wiederholen alle Gesprächsteilnehmer immer das, was gerade gesagt wurde.
Was an sich kein Wunder ist. Denn in einem Dorf, in dem keiner was macht, passiert eben auch nicht viel. Entsprechend rar sind die Gesprächsthemen.
Da stelle ich quasi schon ein Highlight dar. Wenn ich zum Beispiel mal mein essen nachwürze, weiß das sofort die ganze Nachbarschaft.
Außerdem hat jeder Haushalt ein halbes Dutzend Hunde. Und oft scheint es mir, die Hunde würden nur gehalten, damit man sie anschreien kann. Ständig hört man irgendwo eine Hausfrau den Hund anschnauzen.
Irgendwann geht die Sonne unter. Ich esse zum dritten mal Reis mit Papayacurry und um neun gehe ich ins Bett.
Für einige mag sich ein solcher Tagesablauf langweilig anhören, für mich ist es Urlaub. Einfach mal nichts tun, aufstehen wann man will, essen, wann man will und einfach nur in der Sonne sitzen und lesen.
Für Urlaub und Entspannung brauche ich keinen Strand und Meer, die könnte ich ja in Thailand auch leicht haben.
Und Palmen gibt´s im Dorf auch.
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Tags: thailand thai kanchanaburi dorf landleben papaya curry travel urlaub
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Teesha - 11. Dez, 11:09
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